Mit Widersprüchen leben

Was passiert, wenn wir Widersprüche in unserer Wahrnehmung, unseren Einstellungen, Bedürfnissen, Vermutungen oder in unserem Verhalten erleben? Leon Festinger beschreibt in seiner Theorie kognitiver Dissonanz, wie wir unangenehme Widersprüche auflösen.

In unserem Alltag erleben wir oft Situationen, in denen ein Konflikt zwischen unseren Einstellungen und unserem Verhalten auftritt. Wir erleben dann ein unangenehmes Gefühl, welches uns sogar dazu bringen kann langfristig unsere Einstellungen und unser Verhalten zu verändern. Um Konsistenz in einer Welt voller Widersrpüche zu erleben, verwenden wir oft irrationale Rechtfertigungen und Selbstmanipulationen.

Leon Festinger1 (1957) hat diese Tatsache untersucht, als er eine Sekte beobachte, deren Anhänger daran geglaubt hatten, dass die Erde von einer Flut zerstört wird. Als die Erde dann überraschend doch nicht zerstört wurde, entstand ein Widerspruch zwischen ihren Glaubenseinstellungen und der Realität. Die ernsthafte Anhänger haben den Widerspruch nun dadurch aufgelöst, indem sie meinten, dass die Erde aufgrund ihres gläubigen Verhaltens verschont wurde. In einem anderen Fall wurde das Nichteintreten des Weltuntergangs auf einen Fehler in der Berechnung des Datums geschoben.

Wie es zu solchen Rechtfertigungen und Einstellungsänderungen auch in gewöhnlicheren Situationen kommt, erklärt die Theorie kognitiver Dissonanz2. Das bekannteste Beispiel dazu sind Raucher, die wissen, dass Rauchen Krebs verursachen kann. Durch den Wunsch zu rauchen und dem Wissen, dass Rauchen zu Krankheit und zu einem kürzen Leben führen kann entsteht kognitive Dissonanz. Bestimmt hast du schon viele interessante Gründe gehört, warum das Rauchen aber dennoch eine tolle Sache ist.

Es gibt jedoch ganz spezifische Momente, in denen wir alle kognitive Dissonanz erleben.

Was verursacht kognitive Dissonanz?

Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten:

  • Handeln nach sozialen Konventionen: Wenn wir uns öffentlich gezwungen fühlen anders zu handeln, als wir es eigentlich wollen, entsteht ein innerer Widerspruch. Um ihn aufzulösen, sind wir oft dazu bereit unsere Einstellung gegenüber dem Verhalten zu verändern. Wir finden dann ein Verhalten, dass wir vorher abgelehnt haben auf einmal als angebracht.
  • Entscheidungen treffen: Immer wenn wir eine Entscheidung getroffen haben, erleben wir eine Dissonanz zwischen unserer Wahl und dem Gedanken, eine falsche Wahl getroffen zu haben. Üblicherweise verändern wir dann unsere Einstellungen, so dass wir unsere Wahl zu etwas Besserem machen, als es davor gewesen ist.
  • Hoher Aufwand: Wenn wir bereits viel investiert haben, um etwas zu erreichen, dann geraten wir in einen inneren Konflikt, ob wir aufhören oder weitermachen —wir müssen ja den Aufwand, den wir bisher gemacht haben rechtfertigen. Um den vorherigen Aufwand zu rechzufertigen passen wir dann oft den Wert des Ziels nach oben an.

Dazu bemerken lässt sich, dass all diese Einstellungsänderungen meist unbewusst passieren. Durch das Kennen dieser Theorie, kannst du jedoch deine Sensibilität dafür erhöhen und in deinem Leben beobachten.

Wie lässt sich Dissonanz reduzieren?

Festinger hat in seiner Theorie drei Wege aufgezeigt, wie wir kognitive Dissonanz abbauen können:

  • Wir verändern eine oder mehrere Einstellungen oder Aspekte unseres Verhaltens.
  • Wir vermindern die Bedeutung unser Einstellungen oder unseres Verhaltens.
  • Wir fügen neue Einstellungen hinzu.

Nicht immer können wir unser Verhalten verändern, um Dissonanz abzubauen. In den anderen Fällen ist ersichtlich, dass wir dann etwas in unseren Einstellungen ändern müssen, um Dissonanz zu reduzieren. So etwas kann sogar langfristige Folgen haben.

In positiven Fällen konnte in Studien gezeigt werden, dass Vorurteile gemindert werden können oder Suchtabhängigkeiten abgebaut werden kann.

Allerdings können durch Einstellungsveränderungen auch Nachteile entstehen. Besonders relevant ist dies, wenn die Dissonanz dadurch entsteht, dass jemand unser Selbstkonzept infrage stellt oder wir uns selbst belügen, um unser Verhalten zu rechtfertigen.

Sich Selbstaufmerksamkeit zu widmen, hilft dabei sich selbst bewusst zu werden und Widersprüche zwischen unserer Einstellung und unserem Verhalten zu entdecken. Mit Bewusstheit können wir dann unser Bestes geben, um im Einklang mit unserer subjektiven Wahrheit zu leben. Auch wenn dies kurzfristig sogar zu mehr unangenehmen Gefühlen führen kann, so ist dies langfristig der einzige Weg, um wahrhaftig und authentisch zu leben.

Beobachte dich in der nächsten Zeit und erlebe, wie du mit Widersprüchen in deinem Erleben umgehst.


  1. Festinger, L. (1957): A theory of cognitive dissonance. Stanford. ↩︎

  2. Aronson, E., Wilson, T. D., Akert, R. M., & Sommers, S. (2016). Social psychogy (9th ed.). Boston: Pearson. ↩︎

Was steht hinter meinem Handeln?

Wenn du herausfinden willst, was dich wirklich antreibt, dann ist vor allem die Intention hinter deinen Wünschen und Handlungen wichtig. Unsere grundlegende(n) Intention(en) haben wir oft schon seit unserer Kindheit angelegt. Wir können uns nicht von einem auf den anderen Tag grundlegend verändern - langfristig aber schon. Daher ist es für dich lohnenswert, wenn du dich auf die Suche nach dem begibst, was dich wirklich in deinem Leben antreibt.

Beispiel für solche Antriebe sind z.B.:

  • ich möchte keine Schwächen zeigen
  • ich möchte keine Fehler machen
  • ich brauche Kontrolle und Sicherheit
  • ich ertrage keine Nähe
  • ich möchte kompetent sein
  • ich möchte anerkannt sein
  • ich möchte besonders sein
  • ich möchte anders sein als meine Eltern
  • ich muss besser oder erfolgreicher sein, als andere
  • ich möchte in Ruhe gelassen werden
  • ich halte negative Stimmungen nicht aus
  • ich möchte helfen

Solche Antriebe lassen uns Dinge tun, die unserem wirklichen Ich entgegenstehen. Wir versuchen dann Situationen zu vermeiden, die wir nicht mögen oder gehen bestimmten Personen gezielt aus dem Weg. Wir suchen uns einen entsprechenden Job und pflegen einen Freundeskreis der uns dabei unterstützt. Das kann ein schönes Leben sein, es kann aber sehr anstrengend werden, da du hier immer diesen Rahmen zwanghaft aufrecht erhalten musst.

Anders sieht es aus, wenn du deine grundlegenden Antriebe erst einmal erkannt hast. Du hast dann die Freiheit dich so zu zeigen wie du wirklich bist und kannst flexibel auf das Leben reagieren. Der Haken an der Sache ist, dass wir unsere Antriebe nicht von einem auf den anderen Tag verändern können. Wir haben durch unserer Erfahrungen, vor allem aber durch unsere Ängste Strukturen geschaffen, die uns fest in der Hand haben.

Wir funktioniert unsere Lebenswahrnehmung?

Ich erkläre dir dieses Prinzip einmal anschaulich. Stell dir vor, um dich herum stehen viele kleine Wassergläser. Jedes Wasserglas symbolisiert einen inneren Antrieb von dir, es kann aber auch für deine Erfahrungen und Denkweisen. In jedem Glas ist nun so viel Wasser, wie du es in deinem Leben gefüllt hast. Zum Beispiel ein bisschen Leichtigkeit und Humor, aber auch etwas Ehrgeiz und eine Prise Distanziertheit. Dieser Status representiert deinen aktuellen Zustand. Egal was du in deinem Leben machen wirst, die gefüllten Gläser - aber auch die nicht gefüllten Gläser - werden dich bei deinen Entscheidungen und Handlungen beeinflussen.

Du hast jedoch jeden Tag die Möglichkeit mit einem kleinen Teelöffelchen ein bisschen Wasser umzufüllen. Wenn du beispielsweise erkennst, dass dich die Distanziertheit in deinem Leben eher behindert und damit deinem Selbst im Wege steht, dann könntest du damit beginnen dich jeden Tag ein bisschen zu öffnen und mehr Nähe zuzulassen. Du kannst jedoch nicht sofort jemand anders werden und erwarten auf einmal mit offenen Armen durch die Welt zu laufen. Wenn du das von dir erwartest, wirst du dir nur Leid zufügen. Vermutlich hast du dann auch ein Glas mit „hohem Anspruch“ oder ein Glas mit „Ich kann mich nicht annehmen“ gefüllt. Es wäre dann besser anzufangen, einen Teelöffel in das Glas „Ich nehme mich liebevoll in den Arm“ und „Ich freue mich, dass es mich gibt“ zu füllen.

Du siehst, wir kommen unseren gefüllten Gläsern und damit unseren Antrieben nicht aus. Mit Geduld und einem liebevollen Umgang mit dir selbst, kannst du jedoch allmählich die Gläser füllen, dir dir gut tun und dich selbst wirklich ausmachen.

Welche Gläser hast du in deinem Leben gefüllt?

Ich schlage dir vor, dir Zeit zu nehmen und dir einmal anzuschauen, welche Wassergläser du in deinem Leben gefüllt hast. Fühle anschließend in dich hinein, welche Gläser du gerne mehr befüllen möchtest und welche du lieber wenige befüllen möchtest. Schau dir auch an, warum eine andere Befüllung besser für dich an.

Am besten schreibst du dir deine Überlegungen auf. Überlege dir für jeden Teelöffel auch konkrete Schritte in deinem Leben. Es müssen kleine Schritte sein, die die sofort umsetzen kannst.

Fange nun an, mit jedem Tag die entsprechenden Gläser in deinem Leben zu füllen und achte darauf nichts mehr in die Gläser zu tun, welche du nicht weiter füllen möchtest. Jeden Tag nur ein kleines bißchen, mehr musst du nicht tun. Sei liebevoll zu dir.

Am besten überlegst du dir immer gleich nach dem Aufstehen, was du mit deinem Teelöffelchen machen willst.

Jeder einzelne ist so wertvoll.