Der große Ruf

„Worauf wartest du?“ flüsterte es geheimnisvoll aus der Stille in mir.

Meine innere Stimme war mittlerweile sehr laut geworden und hatte schon lange Eingang in meine Träume gefunden. Es war schon zu spät um wegzuhören, zu laut hallte der Widerspruch bereits in mir. Dabei ging es mir gerade sehr gut mit meinem Leben. Zielstrebig und erfolgreich hatte ich viele Ziele erreicht und so ein ansehnliches Gerüst aus Errungenschaften gebaut – bereit die nächsten Sprossen zu erklimmen. Wie aus dem Nichts tauchte nun diese Frage auf und erinnerte mich an einen unschuldigen Traum, den mein Verstand vernünftigerweise vergessen hatte.

Woher kam diese Stimme, die meine Rollen, Identitäten und Errungenschaften wie aus dem Nichts mit einem Fragezeichen versah und stattdessen ein neues Ausrufezeichen in den schillernden Farben des Regenbogens in mein Inneres setze? Das Leben hatte etwas mit mir vor, worauf ich nicht vorbereitet war. Hilflos sah ich zu, wie dieser Weckruf etwas in mir enthüllte, das sich bisher in meinem Inneren wohl geborgen verborgen hatte. Etwas, das immer schon da war und sich dem Sein entzogen hatte, um nun durch mein Leben enthüllt zu werden.

Es war der zeitlose Ruf meiner Seele, der in dieser Zeit mein Herz berührte, um mich tiefer in die Mysterien des Lebens einzuweihen. Diesem Ruf zu folgen ist wahrlich ein großes Abenteuer. Ich kann dir nichts versprechen, wenn auch du ihm folgen möchtest. Ich kann dir nicht sagen, was passieren wird. Ich kann dir noch nicht einmal sagen, wo du morgen sein wirst, wenn du dich darauf einlässt. Dieser Ruf führt dich über gewohnte, bekannte Strukturen hinaus in etwas Neues, Fremdes, um dem Unbekannten ausgesetzt die tiefe Wahrheit deines Wesens zu ergründen.

Bist du wirklich bereit deine Gewohnheiten, Konzepte und Erwartungen hinter dir zu lassen und auf einem unbekanntem Weg erneut das Laufen zu lernen? Bist du bereit dich auf deine Sensibilität und Verwundbarkeit deines Wesens mit Verantwortung einzulassen? Bist du bereit alle Kleidung des „Ich-bin-das“ und „Das-bin-ich-nicht“ zurückzulassen? Wie sieht es mit deinem Ehrgeiz, deinem „Erreichen-wollen“ und deinem „Haben-wollen“ aus? Kannst du deiner inneren Stimme und deinen Sinnen wirklich vertrauen? Bist du auf all diese Fragen vorbereitet? Vielleicht wäre es doch besser, erst mal abzuwarten.

„Worauf wartest du?“ flüsterte es geheimnisvoll aus der Stille in mir und riss mich erneut aus meinem Schlaf. Dieses Mal blieb ich wach. Ich konnte nicht anders. Ich wollte herausfinden, wer ich wirklich bin. Auf der Schwelle zum Leben nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte leise „Ja“. Ich atmete in die Stille und spürte, wie sich ein flaues Gefühl in meinem Bauch ausbreitete und sich mit den Zweifeln der Ungewissheit vermischte. Erst als mich meine Seele mit einem wärmenden Lächeln umarmte, wusste ich, dass ich bereit war.

Wie sehr liebe und schätze ich heute diese innere Stimme, die mir so unverhüllt das Leben enthüllte.

Worauf wartest du?

Lehrling des Lebens

Seit ich vor einigen Jahren begann auf die Lehren meiner Seele zu hören, habe ich vieles gelernt und wohl noch mehr verlernt. Ist das Leben nicht ein ewiger Zyklus von Geburt und Tod, Sein und Nicht-Sein, Konst ruktion und Dekonstruktion? Bewusst in diesem Zyklus zu leben heißt zu wissen, dass alles seine Zeit hat.

Das Leben enthüllt sich von selbst, wenn ich mich in seinem Rhythmus atmen lasse und die notwendige Geduld und Re ife besitze diesem Atem des Lebens Raum zu geben. Ich habe verlernt dem Leben mit Widerstand zu begegnen und, dass es weniger auf das Nicht-Sein des Erreichen-Wollens, sondern mehr auf das Sein des Werdens ankommt, welchem das D avor, das Jetzt, und das Danach innewohnt. Wie die Erde drehe ich mich beständig um mich selbst und ich habe geler nt Schaf und Hirte, Gast und Gastgeber, Handwerker und Architekt, Wissenschaftler und Mystiker zugleich zu sein. D och so, wie die Erde um die Sonne kreist, so dreht sich auch mein Leben um ein Zentrum außerhalb von mir, das mit seinem Licht in mein Leben scheint, es erleuchtet und als Kunstwerk erscheinen lässt, welches ich nicht selbst ers chaffen habe.

Ich weiß, dass ich nichts weiß

Es war für meinen Verstand gar nicht so einfach zuzulassen, dass es Dinge gab, die er nicht greifen und verstehen kann. Mein Verstand war eine hoch entwickelte Kontrollinstanz, die mir gleichzeitig Sicherheit und faszinierende Welten in Aussicht stellte. Ich musste erst lernen ihn zu beruhigen und ihn auf eine Weise zu gebrauchen, bei der er meinem Wesen dient und es nicht beherrscht. Ich schätze ihn. Er hat viele vernünftige Entscheidungen für mich getroffen und mich durch seine Klarheit sehr zielstrebig auf einen erfolgreichen Lebensweg geführt.

Mit zunehmender innerer Erfahrung erkannte ich jedoch, dass mir mein Verstand durch die eigenen Urteile und Konzepte den Blick auf das Wesentliche versperrt. Durch seine hohe Geschwindigkeit, war ich zu getrieben und zu angespannt, um das wahrzunehmen, was sich dahinter verbirgt. Das einzige Ziel meines Lebens war es, ein Ziel zu haben. So konnte ich nicht frei atmen. Ich war ein stolzer Reiter auf einem Rennpferd, das mir vorgab, wohin es ging und mir dennoch das Gefühl gab alles unter Kontrolle zu haben.

Über mehrere Jahre musste ich viele Konzepte, Gewohnheiten und Prägungen verlernen, um dann zu lernen, der Welt ohne Schuldgefühle mit leeren Händen zu begegnen. Seitdem ich dem schamanischen Weg folge, lebe ich in einem beständigen Reinigungsprozess, bei dem ich immer wieder sterbe und mein ursprüngliches Sein berühre. So begann ich langsamer zu leben und dem Leben auf eine andere Art und Weise zu lauschen. Immer mehr berühre ich die Leere und lerne darüber hinauszugehen.

Falls ich mir einbilde etwas zu wissen, lässt mich das Leben großzügig spüren, dass ich nichts weiß. Ich habe gelernt auf die Zeichen zu achten. Ich vertraue den schamanischen Werkzeugen und erlebe dankbar, wie sie meine Grenzen immer wieder ausdehnen. So gehe ich meine Schritte und lerne im Nichtwissen zu leben.

Ich bin ein unsicheres, verwundbares Wesen und nehme demütig mein Mensch Sein an.

Samen säen

Ich säe einen Samen – nur einen.
Mehr sind besser wollte ich einst meinen,
doch voller Erwartung ungestüm ging ich dabei verloren.
Achtsamkeit und Geduld hab ich mir nun geschworen.

Dankbar spreche ich den großen Namen,
für die gewährte Möglichkeit.
Hege achtsam nur den einen Samen,
bin mit reiner Absicht nun bereit.

Geduldig nähr ich ihn mit aller Liebe,
blicke achtsam wachsam herum.
Berührt empfange ich die ersten Triebe,
besinge still das Mysterium.

Sehe Wachstum langsam um mich kreisen,
spiralenförmig schlingt sich das Leben empor.
Bestaune die Verwandlung, die mir verheißen,
Schritt für Schritt kommt sie hervor.

Dankbar blick ich auf mein Leben,
in neuem Glanz scheint jeder Tag.
Kann mich getrost dem Samen übergeben,
die Liebe nährt was kommen mag.

Dankbar bin ich, ohne Worte,
wer weiß wie lang ich bin.
Die Zukunft klopft bereits an meine Pforte,
hüllt alles ein mit einem Sinn.

Zauber der Nacht

Vom Mondlicht eingehüllt erwacht die Nacht,
die Göttin zärtlich mich bedacht.
Ahnungslos geführt durch dunkle Wälder,
betret ich nie geahnte, heilge Felder.

Mein Herz erlebt den Überfluss,
sinkt auf die Erde für den Kuss.
Demütig spür ich Leben’s Tiefe,
als ob es meine Seele ist, die riefe.

Ohne Worte flüstert sie das Leben,
bereit ich bin, mich hinzugeben.
Wer bin ich, wenn ich wirklich bin?
Des Lebens Antwort kennt den Sinn.