Die Quelle des Lebens

Vor langer, langer Zeit gab es einmal ein Dorf, in dem etwas sehr Seltsames geschah und die Welt mit einem offenen Rätsel zurückließ. Seitdem wird die Geschichte von Mund zu Mund weitergetragen und wartet bis heute auf denjenigen Menschen, der es versteht, dieses Rätsel zu lösen.

Du musst lange in der Zeit zurückgehen, um den Anfang der Geschichte zu erreichen. Wenn du dort angekommen bist, findest du inmitten einer großen Wüste ein kleines, unscheinbares Dorf, das in einer ungewöhnlich fruchtbaren Oase verborgen liegt. Unerschöpflich sprudelt darin die kristallklare Quelle des Lebens. Die Bewohner des Dorfes sahen das, was da war und nährten sich aus der Fülle. Sie tranken erquickt aus der Quelle und lebten die Träume, die daraus entsprangen. Nicht selten sah man sie in den sternenklaren Nächten am gemeinsamen Feuer, wo sie frei tanzten und die fröhlichsten Lieder sangen. Ihre Herzen waren voller Wärme und in ihrem Lächeln spiegelte sich die Leichtigkeit eines glücklichen Lebens wider. Doch es waren nicht nur die Menschen, die aus dem klaren Wasser der Quelle tranken. Auch die Blumen wuchsen lebendig in allen Farben zwischen den bunten Häusern und vermischten vergnügt ihren Duft mit der Freude dieser Menschen.

Dann aber kam es, dass ein durstiger Wanderer nach Anbruch der Dunkelheit in die Nähe des Dorfes gelangte. Er trug eine schwere Last und ächzte ununterbrochen mit jedem seiner Schritte. So wie das Schicksal es wollte, begegnete er einem der Dorfbewohner, der gerade besinnlich auf einer Düne saß und dem stillen Rauschen des Wüstenwindes lauschte. Als er das Stöhnen des Wanderers vernahm, hörte er verdutzt auf zu atmen. „Wer bist du?“ fragte er. Anstatt wirklich darauf zu antworten, erzählte ihm der Wanderer von der großen Last, die er zu tragen hatte und beharrlich auf seinem Rücken mit sich herumschleppte. Etwas verwirrt kehrte der Wüstenbewohner ins Dorf zurück. Von sich konnte er nicht erzählen, dass er so eine große Last auf seinem Rücken trug. Das Leben in der Oase war geprägt von Leichtigkeit. Etwas in ihm fühlte sich auf einmal leer an. „Was wohl die anderen Bewohner von mir halten werden, wenn auch ich so eine große Last tragen kann?“ fragte er sich schon ganz in Gedanken verloren.

Am nächsten Tag hatte er sich etliche Steine aufgeladen und kehrte zurück zu dem Wanderer, der immer noch durstig nach Wasser lechzte. „Schau dir an, was ich heute tragen kann“ sagte er stolz zu dem Wanderer. Dieser schenkte ihm anerkennend einen stummen Blick der Akzeptanz. Er hatte seinen Durst nicht gestillt, aber er fühlte sich in Gesellschaft schon etwas besser. „Immerhin einer, der mich erkennt“ dachte er. So begannen sie einvernehmlich ihre große Last um das Dorf herumzuschleppen. Sie ächzten und stöhnten mit jedem Schritt.

Keiner weiß genau wieso, jedoch wiederholte sich dieser Vorgang auf mysteriöse Art und Weise, bis sich schließlich das ganze Dorf um den Wanderer versammelt hatte. Gemeinsam schleppten sie immer mehr Steine durch die Wüste. Sie ächzten und stöhnten und schliffen sich mit gebeugtem Rücken durch den trockenen Sand der Wüste. Mit ernster Miene, jedoch stets durstig und nach Luft japsend, erzählten sie sich gegenseitig von ihrer großen Last, die sie nun zu tragen hatten. Manche schafften es sogar einen kleinen Turm aus Steinen auf ihrem Rücken zu bauen und wackelig mit ihnen herumzuschleppen. Wenn dann mal einer davon auf ihren Kopf fiel, nannten sie es „kompliziert“ und ächzten und stöhnten noch ein bisschen lauter. Es entstand ein qualvolles Klagelied, das sich immer schwerer über dem einst so lebendigen Dorf niederlegte.

Die Zeit verrann im Nichts und mit den Erinnerungen der Dorfbewohner verblassten auch die Farben der Häuser allmählich zu einem tristen Grau. Selbst die Blumen verloren ihren Duft und verließen mit hängenden Köpfen entwurzelt das Dorf. Aus einem Ort des Lebens war ein Ort verlorener Einsamkeit geworden, in dem die Stille der einzig willkommene Gast war.

Nun geschah inmitten dieser Einsamkeit und Stille ein kleines Wunder. Mit der Quelle des Lebens verbunden, wuchs eine kleine zarte Blume mit feinen Farben inmitten einer grauen Welt heran. Mutig verströmt sie seitdem einen lieblichen Duft, der in den Farben der Freude die Geschichte dieses Dorfes erzählt. Sie wartet geduldig auf diejenigen unter uns, die durstig die Quelle des Lebens suchen.

Der große Ruf

„Worauf wartest du?“ flüsterte es geheimnisvoll aus der Stille in mir.

Meine innere Stimme war mittlerweile sehr laut geworden und hatte schon lange Eingang in meine Träume gefunden. Es war schon zu spät um wegzuhören, zu laut hallte der Widerspruch bereits in mir. Dabei ging es mir gerade sehr gut mit meinem Leben. Zielstrebig und erfolgreich hatte ich viele Ziele erreicht und so ein ansehnliches Gerüst aus Errungenschaften gebaut – bereit die nächsten Sprossen zu erklimmen. Wie aus dem Nichts tauchte nun diese Frage auf und erinnerte mich an einen unschuldigen Traum, den mein Verstand vernünftigerweise vergessen hatte.

Woher kam diese Stimme, die meine Rollen, Identitäten und Errungenschaften wie aus dem Nichts mit einem Fragezeichen versah und stattdessen ein neues Ausrufezeichen in den schillernden Farben des Regenbogens in mein Inneres setze? Das Leben hatte etwas mit mir vor, worauf ich nicht vorbereitet war. Hilflos sah ich zu, wie dieser Weckruf etwas in mir enthüllte, das sich bisher in meinem Inneren wohl geborgen verborgen hatte. Etwas, das immer schon da war und sich dem Sein entzogen hatte, um nun durch mein Leben enthüllt zu werden.

Es war der zeitlose Ruf meiner Seele, der in dieser Zeit mein Herz berührte, um mich tiefer in die Mysterien des Lebens einzuweihen. Diesem Ruf zu folgen ist wahrlich ein großes Abenteuer. Ich kann dir nichts versprechen, wenn auch du ihm folgen möchtest. Ich kann dir nicht sagen, was passieren wird. Ich kann dir noch nicht einmal sagen, wo du morgen sein wirst, wenn du dich darauf einlässt. Dieser Ruf führt dich über gewohnte, bekannte Strukturen hinaus in etwas Neues, Fremdes, um dem Unbekannten ausgesetzt die tiefe Wahrheit deines Wesens zu ergründen.

Bist du wirklich bereit deine Gewohnheiten, Konzepte und Erwartungen hinter dir zu lassen und auf einem unbekanntem Weg erneut das Laufen zu lernen? Bist du bereit dich auf deine Sensibilität und Verwundbarkeit deines Wesens mit Verantwortung einzulassen? Bist du bereit alle Kleidung des „Ich-bin-das“ und „Das-bin-ich-nicht“ zurückzulassen? Wie sieht es mit deinem Ehrgeiz, deinem „Erreichen-wollen“ und deinem „Haben-wollen“ aus? Kannst du deiner inneren Stimme und deinen Sinnen wirklich vertrauen? Bist du auf all diese Fragen vorbereitet? Vielleicht wäre es doch besser, erst mal abzuwarten.

„Worauf wartest du?“ flüsterte es geheimnisvoll aus der Stille in mir und riss mich erneut aus meinem Schlaf. Dieses Mal blieb ich wach. Ich konnte nicht anders. Ich wollte herausfinden, wer ich wirklich bin. Auf der Schwelle zum Leben nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte leise „Ja“. Ich atmete in die Stille und spürte, wie sich ein flaues Gefühl in meinem Bauch ausbreitete und sich mit den Zweifeln der Ungewissheit vermischte. Erst als mich meine Seele mit einem wärmenden Lächeln umarmte, wusste ich, dass ich bereit war.

Wie sehr liebe und schätze ich heute diese innere Stimme, die mir so unverhüllt das Leben enthüllte.

Worauf wartest du?

Lehrling des Lebens

Seit ich vor einigen Jahren begann auf die Lehren meiner Seele zu hören, habe ich vieles gelernt und wohl noch mehr verlernt. Ist das Leben nicht ein ewiger Zyklus von Geburt und Tod, Sein und Nicht-Sein, Konstruktion und Dekonstruktion? Bewusst in diesem Zyklus zu leben heißt zu wissen, dass alles seine Zeit hat.

Das Leben enthüllt sich von selbst, wenn ich mich in seinem Rhythmus atmen lasse und die notwendige Geduld und Reife besitze diesem Atem des Lebens Raum zu geben. Ich habe verlernt dem Leben mit Widerstand zu begegnen und, dass es weniger auf das Nicht-Sein des Erreichen-Wollens, sondern mehr auf das Sein des Werdens ankommt, welchem das Davor, das Jetzt, und das Danach innewohnt. Wie die Erde drehe ich mich beständig um mich selbst und ich habe gelernt Schaf und Hirte, Gast und Gastgeber, Handwerker und Architekt, Wissenschaftler und Mystiker zugleich zu sein. Doch so, wie die Erde um die Sonne kreist, so dreht sich auch mein Leben um ein Zentrum außerhalb von mir, das mit seinem Licht in mein Leben scheint, es erleuchtet und als Kunstwerk erscheinen lässt, welches ich nicht selbst erschaffen habe.

Ich habe gelernt in fruchtbare Erde Samen zu säen und sie mit Geduld und Liebe wachsen zu lassen.

Auf meinem Weg habe ich viele verschiedene Werkzeuge der Seele kennengelernt, mit Ihnen gearbeitet und dessen Sinn und Nutzen erlebt. Als Lehrling lernte ich sie nach Zweck und Qualität zu unterscheiden bis ich schließlich bereit war, mir meine eigenen Werkzeuge zu suchen, sie zu erkennen und angemessen wertzuschätzen. Auf dem schamanischen Weg fand ich dann Werkzeuge mit natürlicher Signatur, die hochpräzise auf die feine Sprache der Seele eingestellt sind. Sie dienen der Heilung und dem Wachstum und sie wissen um die Sensibilität und die Verwundbarkeit des Lebens. Sie haben, so wie wir, ein eigenes Wesen und wollen achtsam und mit Respekt behandelt werden. Geborgen in deren Armen lausche ich oft ihren Geschichten, die sich mit den Klängen meiner Seele harmonisch vermischen. Sie an meiner Seite zu wissen ist ein großes Geschenk des Lebens, das nur mit Dankbarkeit und Liebe gewürdigt werden kann.

Ich habe gelernt zu atmen.

Ausgestattet mit geeigneten Werkzeugen lernte ich, dass Präsenz, Gewahr-sein und Sein-lassen viele Räume öffnen und, dass Verantwortung eine unausweichliche Antwort auf etwas ist, das weit über mich hinaus geht. In vielen kleinen Schritten lernte ich, mich wirklich selbst zu sehen, mich anzunehmen und liebevoll zu umarmen. Staunend erkunde ich die Verwundbarkeit meines Wesens, durch die ich mich selbst zärtlich als Mensch erkennen und begreifen kann. Geduld, Vertrauen und Hingabe sind hier stets meine treuen Begleiter. Es ist die Intimität mit mir selbst, die Verbindung mit mir selbst und die Beziehung mit mir selbst, die es mir ermöglicht Intimität, Liebe und Beziehung mit anderen zu leben.

Ich habe gelernt in die Stille zu lauschen.

Geduldig übe ich mich darin meine Sinne zu verfeinern, um sensibler und wacher zu werden, um tiefer in die Stille lauschen zu können. Die Mysterien der Seele offenbaren sich hinter den Dingen, so wie sich das eigentliche Sagen hinter dem Gesagten verbirgt. In die Stille zu lauschen heißt das Sagen im Echo des Gesagten aufzuspüren und mit dem Ursprünglichen in Verbindung zu gehen. Wenn ich wirklich in Verbindung mit meinem Wesen bin, erlebe ich eine allumfassende Intimität mit dem Leben, in der ich etwas zutiefst Heiliges berühren darf. Oft empfinde ich dann eine so große Freude, die mich in den Armen der göttlichen Mutter glücklich zum Weinen bringt.

In Allem bin ich Dein.

Zwei Königssöhne

Es war einmal ein greiser, alter König, der in einem großen Königreich regierte. Obwohl es in diesem Königreich eigentlich niemanden an etwas mangelte, so gab es doch immer wieder verschiedene Menschen, welche dem König ihr Leid klagten. Sie beschwerten sich über die hohen Steuern, wollten mehr Lohn oder günstigere Nahrungsmittel. Die Menschen fanden immer etwas, das ihnen nicht gut genug war.

Der König wurde immer betrübter. Was auch immer er machte, er konnte seine Untertanen nicht zufriedenstellen. Dabei lag ihm das Wohl seiner Untertanen sehr am Herzen. Nun war der alte König schon in einem hohen Alter und zu müde eine Arbeit zu machen, die nicht gewürdigt wurde. Als er eines Tages mal wieder betrübt aufwachte, beschloss er seinen Thron an einen seiner Söhne abzugeben, um sich den schönen Dingen des Lebens zu widmen. Seine beiden Söhne waren bereits zu jungen, stattlichen Männern herangewachsen. Es stellte sich nun die knifflige Frage, wer denn von den beiden sein Nachfolger werden sollte.

Einer der klugen Berater des Königs hatte eine wunderbare Idee. Um zu entscheiden, wer von den beiden am geeignetsten ist, schickte er die Königssöhne mit einem ungewöhnlichen Auftrag fort. Sie sollten ihm das Wertvollste bringen, was sie finden können. Danach würde der König entscheiden, wer das Königreich bekommt.

Die Erfahrung des einen Königssohnes

Der eine der beiden Söhne, ein sehr kräftiger und tapferer Mann, holte sein reich geschmücktes Pferd und machte sich auf die Suche. Er ritt durch die Felder des Königreiches, überquerte Flüsse und suchte und suchte. Die Schätze des Königreiches kannte er bereits und das, was er kannte, war ihm nicht wertvoll genug. Also begann er seine Suche woanders. Er wusste, dass es in einem benachbarten Königreich sehr viele mysteriöse Reichtümer gab. Immer wieder hatte er am Hof verschiedene Händler davon erzählen hören. Hoch zu Ross befragte er die Fremden, die ihm unterwegs begegneten, nach diesen Schätzen. Er begab sich immer mehr in die Fremde und entfernte sich so immer weiter von zu Hause.

Irgendwann begegnete er schließlich einer runzeligen, alten Frau. Er hatte schon lange niemanden mehr gesehen und fragte daher auch diese alte Frau nach einem großen, wertvollen Schatz. Die Frau lachte ein wenig und erzählte ihm geheimnisvoll, dass sie die Hüterin eines der größten Schätze dieser Erde war. Der junge Königssohn wähnte sich am Ziel und wollte den Schatz begierig anschauen. Ahnungslos führte die Frau ihn in eine entlegene Höhle. Geblendet von dem Funkeln und dem Glanz dieses Schatzes verlor der stolze Königssohn beinahe den Verstand. Er konnte gar nicht aufhören zu schauen. Immer wieder sah er neue leuchtende Kostbarkeiten, die ihm in der dunklen Höhle entgegenfunkelten. So etwas Wertvolles hatte er noch nie gesehen. Der Thron war zum Greifen nahe. Was wohl sein Vater sagen würde, fragte er sich? Und erst die ganzen Untertanen. Mit diesem Schatz wäre er bestimmt der reichste König weit und breit. Diesen Schatz musste er haben.

Mit glühenden Augen versprach der nichts ahnende Königssohn, dass die Frau alles bekommt, was sie will, wenn sie ihm nur den Schatz überlässt, um ihn seinem Vater zu bringen. Die runzelige, alte Frau war jedoch in Wirklichkeit eine böse Zauberin. Sie hatte den Schatz nur herbeigezaubert, um den Königssohn zu überlisten. Sie wollte nämlich, dass er sie zur Königin macht und mit ihm einen Sohn zeugt, der dann das Reich mit ihr regieren wird. Mit knirschenden Zähnen sagte der gierige Königssohn zu. Irgendwie würde er die Alte schon loswerden, dachte er. Mit erhobenen Hauptes trat er siegessicher die Heimreise an.

Die böse Zauberin wurde er von da an allerdings nicht mehr los, aber dies erzähle ich dir in einer anderen Geschichte. Lass uns einmal schauen, wie es dem anderen Königssohn auf seiner Schatzsuche ergangen ist.

Die Erfahrung des anderen Königssohnes

Der andere Königssohn bestieg auch sein Pferd und begab sich auf die Suche nach etwas Wertvollem für seinen Vater. Nach einiger Zeit begegnete er einem sehr armen, älteren Ehepaar, das mit viel Mühe ihr Feld bestellte. Der junge Mann hatte Mitgefühl mit ihnen und überließ ihnen sein Pferd zum Pflügen. Als Königssohn konnte er sich ja jederzeit ein anderes besorgen. Einen Hinweis zu einem Schatz konnten ihm die beiden zwar nicht geben, sie bedankten sich bei ihm jedoch sehr herzlich und wünschten ihm alles Gute für seinen Weg.

Der junge Königssohn kam nun langsamer voran. Jeden Schritt musste er selber machen. Vielleicht hätte er das Pferd doch behalten sollen, fragte er sich, als seine Füße schon ziemlich müde waren. Er suchte sich einen sicheren Ort für die Nacht und fiel müde in einen tiefen Schlaf. Nun waren in dieser Gegend allerdings auch Räuber unterwegs, welche die prachtvolle Kleidung des Königssohnes aus der Ferne gesehen haben. Geschickt raubten die Räuber dem schlafenden Königssohn all seinen Besitz mitsamt seiner Kleidung.

Als der Königssohn am Morgen erwachte konnte er sein Unglück nicht glauben. Er beklagte sich, weinte und jammerte vor sich hin. Womit hatte er das verdient? Da er nun nackt war, hatte er das Gefühl nichts wert zu sein. Er hatte nichts mehr anzubieten und vor allem würde nun keiner mehr erkennen, dass er eigentlich ein Königssohn war. Nichts war ihm von seinem alten Glanz mehr übrig geblieben. Entmutigt lief er in einen nahegelegenen Wald, um sich dort zu verstecken. Niedergeschlagen irrte der hoffnungslose Königssohn durch den dunklen Wald. Immer unheimlicher wurde es ihm dabei. Ob seine Füße wussten, wohin sie ihn trugen? Angestrengt überlegte er, ob es nicht doch jemanden gab, der ihn erkennen würde.

Irgendwann kam er schließlich hungrig und durstig zu einem Häuschen an einer schönen Lichtung. Verzweifelt klopfte er mit seinen letzten Kräften an die Tür. Es öffnete eine alte Frau. Hilflos gab er zu verstehen, dass er durstig und hungrig war aber nichts zu geben hatte. Glücklicherweise erkannte sie seine Not und gab ihm zu trinken und zu essen. Er durfte sogar ein wohltuendes Bad im warmen Wasser nehmen. Als er danach in einen Spiegel blickte, erschrak er jedoch. Was er sah, war nicht mehr der ehemalige Königssohn, den er einmal kannte. Er schaute einen wunderschönen Jüngling an, der von einem goldenen Schimmer umgeben war. Erst nach einiger Zeit wurde ihm bewusst, dass er sich gerade selbst anschaute.

Auf einmal wurde er von einer großen Freude erfüllt. Tränen rannen ihm über sein Gesicht, welches er immer wieder erstaunt anblickte und zärtlich mit seinen Händen berührte. Das war er, nur er. In seinem Herzen wusste er, dass er gerade etwas sehr Wertvolles gefunden hatte…

Mit viel Dankbarkeit verabschiedete er sich bei der alten Frau und versprach ihr, für sie zu sorgen. Beglückt und froh machte er sich auf den Heimweg. Der Wald war auf einmal gar nicht mehr so dunkel und unheimlich. Er genoss den Geruch des Waldes und lauschte dem Konzert der Blätter und Vögel. Er nahm auf einmal die Schönheit und Einzigartigkeit dieses Waldes war. Warum nur hatte er dies bloß nicht schon vorher wahrgenommen?

Ein paar Gnome hörten ihn noch, wie er vergnügt vor sich hin summte und pfiff. Es war seine eigene Melodie…

Wie klingt die Melodie deines Herzens?

Ich weiß, dass ich nichts weiß

Es war für meinen Verstand gar nicht so einfach zuzulassen, dass es Dinge gab, die er nicht greifen und verstehen kann. Mein Verstand war eine hoch entwickelte Kontrollinstanz, die mir gleichzeitig Sicherheit und faszinierende Welten in Aussicht stellte. Ich musste erst lernen ihn zu beruhigen und ihn auf eine Weise zu gebrauchen, bei der er meinem Wesen dient und es nicht beherrscht. Ich schätze ihn. Er hat viele vernünftige Entscheidungen für mich getroffen und mich durch seine Klarheit sehr zielstrebig auf einen erfolgreichen Lebensweg geführt.

Mit zunehmender innerer Erfahrung erkannte ich jedoch, dass mir mein Verstand durch die eigenen Urteile und Konzepte den Blick auf das Wesentliche versperrt. Durch seine hohe Geschwindigkeit, war ich zu getrieben und zu angespannt, um das wahrzunehmen, was sich dahinter verbirgt. Das einzige Ziel meines Lebens war es, ein Ziel zu haben. So konnte ich nicht frei atmen. Ich war ein stolzer Reiter auf einem Rennpferd, das mir vorgab, wohin es ging und mir dennoch das Gefühl gab alles unter Kontrolle zu haben.

Über mehrere Jahre musste ich viele Konzepte, Gewohnheiten und Prägungen verlernen, um dann zu lernen, der Welt ohne Schuldgefühle mit leeren Händen zu begegnen. Seitdem ich dem schamanischen Weg folge, lebe ich in einem beständigen Reinigungsprozess, bei dem ich immer wieder sterbe und mein ursprüngliches Sein berühre. So begann ich langsamer zu leben und dem Leben auf eine andere Art und Weise zu lauschen. Immer mehr berühre ich die Leere und lerne darüber hinauszugehen.

Falls ich mir einbilde etwas zu wissen, lässt mich das Leben großzügig spüren, dass ich nichts weiß. Ich habe gelernt auf die Zeichen zu achten. Ich vertraue den schamanischen Werkzeugen und erlebe dankbar, wie sie meine Grenzen immer wieder ausdehnen. So gehe ich meine Schritte und lerne im Nichtwissen zu leben.

Ich bin ein unsicheres, verwundbares Wesen und nehme demütig mein Mensch Sein an.

Morgenimpulse

Ein Morgenritual hilft dir bereits am Morgen voller Leben zu sein und dich bewusst für den Tag auszurichten.

Mit deinem Aufstehen setzt du deine Intention für deinen Tag. Nimm dir dazu etwas Zeit für dich. Wie viel du brauchst, hängt von dir ab. Sei hierbei liebevoll zu dir und nimm dir nicht zu viel vor. Aber auch zu wenig sollte es nicht sein. Mit deiner Zeit gibst du deinem Wesen Wertschätzung und unterstützt es dabei, dass es langsam zu sich kommen kann und sich kraftvoll über den Tag entfalten kann.

Lausche deinem Körper, deinen Gefühlen und deinen Gedanken

Komme bei dir an und lausche deinem Atem. Werde dir bewusst, dass es dich gibt und dass du lebst. Werde wach.

Atme.

Fühle dich und deinen Körper. Wie fühlt er sich heute an? Tut etwas weh? Möchte er Bewegung? Was braucht er heute von dir? Gib deinem Körper den Raum, den er gerade braucht.

Atme.

Spüre weiter. Welche Gefühle sind heute in dir? Lass dir Zeit, sie wahrzunehmen. Gib Ihnen Raum und spüre in sie hinein. Werte nicht und beobachte, was heute in dir ist.

Atme.

Wie sind deine Gedanken heute? Beobachte sie eine Weile, ohne sie zu bewerten oder ihnen nachzugehen.

Atme.

Aktiviere deine Sinne und lausche deiner Seele

Nun werde dir noch einmal selbst bewusst. Nimm dich selbst wahr und aktiviere deine Sinne. Was siehst du gerade? Wie ist der Geschmack in deinem Mund? Welchen Geruch nimmst du gerade wahr? Welche Geräusche umgeben dich? Berühre sanft deinen Körper und nimm wahr, wie sich das anfühlt. Du bist mit dir.

Atme.

Gehe noch ein bisschen weiter und werde dir auch deiner Bewusstheit von dir selbst bewusst. Du bist es der all dies wahrnimmt, der all dies erlebt. Bringe nun diese Wahrnehmung deiner selbst in deine Aufmerksamkeit und verweile darin.

Atme.

Deine Aufmerksamkeit ist nun fein geworden. Du fühlst und spürst. Verbinde dich mit deiner Seele. Lausche und verweile.

Atme.

Gehe in Kontakt mit diesem neuen Tag

Du hast heute wieder einen Tag geschenkt bekommen. Einen neuen Tag, den du wach im Einklang mit deiner Wahrheit leben kannst.

Gib jedem Tag die Chance, der beste deines Lebens zu werden.

Mark Twain

Atme diesen Tag und begrüße ihn.

Er wird auch dich begrüßen…

Die Medizin der Reinigungshütte

Nun ist es soweit. Alles ist vorbereitet und der Neumond wartet schon auf uns, damit wir in der fruchtbaren Erde unserer Herzen ein Samenkorn des Lichts und der Heilung einpflanzen.

Als ich an meinen ersten schamanischen Ritualen teilnahm, wusste ich noch nicht wohin mich dieser mystische Pfad bringen würde. Ich wusste noch nicht, dass ich meine stolze, leistungsorientierte Identität einmal zurücklassen muss, um hinter allen Identitäten und Konzepten mein innerstes Wesen berühren zu können. Ich war damals einfach neugierig mich selbst kennenzulernen und tiefer in meine Mysterien einzutauchen. Als Mathematiker und Wissenschaftler war ich natürlich auch sehr skeptisch und beäugte jede Erfahrung äußerst kontrolliert und aufmerksam. Ich war damals noch nicht bereit die Tiefe dieses Erfahrungsweges zu berühren, da mein sensibler Körper noch zu ängstlich und angespannt war und mein ungeduldiger Verstand ein echtes Eintauchen nicht ermöglichte. Dennoch war etwas in mir neugierig zum Leben erwacht.

Mittlerweile hat mir dieser ursprüngliche Weg so viele Mysterien enthüllt, dass ich die Welt bereits mehrfach mit neuen Augen betrachte und sich ein Träumer mit einem linearen Leben in ein Leben aus einem nicht-linearen Traum verwandelt hat. Fast unscheinbar hat jeder kleine Schritt mit jeder Verbindung, die ich mit der Natur und den vier Elementen im Zyklus der Jahreszeiten machte, meine Wahrnehmung und mein Sein verändert. Ich erkenne diesen Weg tief verwurzelt in meinem Inneren wieder – so, als wäre nie etwas anderes gewesen. Es ist der Ruf meiner Seele, dem ich seit einigen Jahren mit Hingabe und Demut folge. Die tiefe Weisheit des schamanischen Weges lässt sich wahrlich nur durchdringen, indem man sie selbst in all seinen Zellen erlebt.

Nun ist es soweit. Alles ist vorbereitet und der Neumond wartet schon auf uns, damit wir in der fruchtbaren Erde unserer Herzen ein Samenkorn des Lichts und der Heilung einpflanzen. Zusammen mit meiner Partnerin und unserer Gruppe sitze ich gerade am Feuer umringt von duftenden Orangenbäumen und lausche einmal mehr den Mysterien des Lebens, bereit, in das Ritual der Reinigungshütte, das sich schon lange in mir auszudehnen begonnen hat, tiefer hineinzugehen und es auch tiefer in mich hineinzulassen. Schamanische Rituale sind auf die Feinheit der Seele abgestimmte, hochpräzise Werkzeuge, um in den verschiedenen Realitäten unserer komplexen Welt als menschliches Wesen zu navigieren. Ich vertraue ihnen. Sie tragen die Handschrift der Natur und erlauben mir, mich selbst in dieser Welt zu erkennen und meinem Leben einen Sinn jenseits unserer Vorstellungen von Zeit und Raum zu geben.

Nun ist es soweit. Mein Blick trifft sich mit den vertrauten Augen meiner Partnerin und teilt ein stilles Lächeln des Erkennens.

Was das Ritual wohl in jedem von uns enthüllen wird?

Ich atme und lausche in die tiefe Stille des Augenblicks.

Ich atme und vertraue.

Sei willkommen!

Am Leben wachsen

Wenn wir daran glauben, dass wir uns mit dem Leben entwickeln können und dafür die notwendigen Ressourcen zur Verfügung haben, können wir kraftvoller und kreativer mit Herausforderungen umgehen. Wir erinnern uns an unsere wirklichen Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Die Psychologin Carol Dweck1 hat über viele Jahre hinweg erforscht, wie unser Selbst-Bild Einfluss auf unser Leben hat. Dabei entdeckte sie, dass uns im Wesentlichen zwei innere Grundhaltungen beeinflussen. Abhängig von dieser Grundhaltung gehen wir sehr unterschiedlich mit Veränderung und Herausforderungen in unserem Leben um.

Leben mit einem festgelegte Selbstbild

Betrachten wir unser Talent, unsere Intelligenz und unsere Fähigkeiten als etwas fest gegebenes, geben wir in der Regel bei Schwierigkeiten schnell auf oder vermeiden Herausforderungen sogar ganz. Die Angst vor dem Scheitern hemmt uns davor, unser wirkliches Potential zu entfalten. Mit dieser unveränderlichen Einstellung sind wir nicht bereit aus Fehlern zu lernen, weil wir Angst haben überhaupt einen Fehler zu machen.

Wenn wir mit unserem Leben aus dieser Einstellung heraus begegnen, blenden wir leider viele Chancen und Möglichkeiten aus, die uns helfen würden ein besseres Leben zu kreieren. Wenn du diese Einstellung bei dir entdeckst – oder vielleicht kennst du jemand anderen – dann erfährst du im nächsten Abschnitt, welche Einstellung uns mit offenen Augen durchs Leben gehen lässt.

Leben mit einem formbaren Selbstbild

Haben wir nämlich ein flexibles Selbst-Bild und glauben, dass wir uns immer wieder weiter entwickeln können, dann betrachten wir Niederlagen als persönliche Herausforderungen, an denen wir wachsen können. Mit dieser Einstellung sind wir bereit zu üben und Fehler zu machen. Wir haben das Vertrauen, dass wir mit ausreichend Zeit alles bewältigen können. Diese Einstellung erlaubt es uns ganz von selbst neue Chancen zu erkennen und Probleme kreativ zu lösen.

Wichtig ist, dass allein der Glaube daran ausreicht eine andere Erfahrung mit dem Leben zu machen. Du hast alle notwendigen Ressourcen in dir, um zu wachsen und dich zu entwickeln. Zudem steht dir mit deinem Umfeld ein ganzes Netz aus Ressourcen zur Verfügung. Schwierigkeiten im Leben geben dir die Möglichkeit, dich selbst besser zu verstehen, etwas zu lernen und über dich hinauszuwachsen. Schau doch mal, was du schon alles gelernt hast – du warst einmal ein Baby, dass nicht einmal laufen konnte. Nun kannst du viel mehr als nur Laufen…

Um den Unterschied zwischen den beiden Einstellungen zu erleben, schlage ich dir folgendes Experiment vor. Wähle in einem Raum zwei verschiedene Orte, bei denen jeder Ort für eine der Einstellungen steht. Gehe dann an diesen Ort und wechsle einmal in die Einstellung der limitierten Ressourcen und einmal in die Einstellung der unbegrenzten, wachsenden Ressourcen. Erlebe, welche Auswirkungen das auf deine Wahrnehmung hat.

Glaube daran, dass du wachsen kannst

Deine innere Einstellung ist eine der wichtiges Grundlagen für persönliches Wachstum und deine Entwicklung. Carol Dweck hat zwei Polaritäten untersucht und aufgezeigt, dass wir mit einer Wachstums-Einstellung Erfahrungen im Leben machen, die unser Wachstum unterstützten.

Glaube daran, dass du dich immer entwickeln kannst und unbegrenzte Ressourcen dafür zur Verfügung hast. Beobachte nun, wie sich dein Erleben und deine Handlungen verändern. Erinnere dich, wenn du mal wieder Schwierigkeiten im Leben begegnest.

Ich habe alles in mir, was ich für meine Entwicklung brauche – ich muss es nur entdecken.


  1. Dweck, C. (2007). Mindset: The New Psychology of Success. New York: Ballantine Books. ↩︎

Mit Widersprüchen leben

Was passiert, wenn wir Widersprüche in unserer Wahrnehmung, unseren Einstellungen, Bedürfnissen, Vermutungen oder in unserem Verhalten erleben? Leon Festinger beschreibt in seiner Theorie kognitiver Dissonanz, wie wir unangenehme Widersprüche auflösen.

In unserem Alltag erleben wir oft Situationen, in denen ein Konflikt zwischen unseren Einstellungen und unserem Verhalten auftritt. Wir erleben dann ein unangenehmes Gefühl, welches uns sogar dazu bringen kann langfristig unsere Einstellungen und unser Verhalten zu verändern. Um Konsistenz in einer Welt voller Widersrpüche zu erleben, verwenden wir oft irrationale Rechtfertigungen und Selbstmanipulationen.

Leon Festinger1 (1957) hat diese Tatsache untersucht, als er eine Sekte beobachte, deren Anhänger daran geglaubt hatten, dass die Erde von einer Flut zerstört wird. Als die Erde dann überraschend doch nicht zerstört wurde, entstand ein Widerspruch zwischen ihren Glaubenseinstellungen und der Realität. Die ernsthafte Anhänger haben den Widerspruch nun dadurch aufgelöst, indem sie meinten, dass die Erde aufgrund ihres gläubigen Verhaltens verschont wurde. In einem anderen Fall wurde das Nichteintreten des Weltuntergangs auf einen Fehler in der Berechnung des Datums geschoben.

Wie es zu solchen Rechtfertigungen und Einstellungsänderungen auch in gewöhnlicheren Situationen kommt, erklärt die Theorie kognitiver Dissonanz2. Das bekannteste Beispiel dazu sind Raucher, die wissen, dass Rauchen Krebs verursachen kann. Durch den Wunsch zu rauchen und dem Wissen, dass Rauchen zu Krankheit und zu einem kürzen Leben führen kann entsteht kognitive Dissonanz. Bestimmt hast du schon viele interessante Gründe gehört, warum das Rauchen aber dennoch eine tolle Sache ist.

Es gibt jedoch ganz spezifische Momente, in denen wir alle kognitive Dissonanz erleben.

Was verursacht kognitive Dissonanz?

Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten:

  • Handeln nach sozialen Konventionen: Wenn wir uns öffentlich gezwungen fühlen anders zu handeln, als wir es eigentlich wollen, entsteht ein innerer Widerspruch. Um ihn aufzulösen, sind wir oft dazu bereit unsere Einstellung gegenüber dem Verhalten zu verändern. Wir finden dann ein Verhalten, dass wir vorher abgelehnt haben auf einmal als angebracht.
  • Entscheidungen treffen: Immer wenn wir eine Entscheidung getroffen haben, erleben wir eine Dissonanz zwischen unserer Wahl und dem Gedanken, eine falsche Wahl getroffen zu haben. Üblicherweise verändern wir dann unsere Einstellungen, so dass wir unsere Wahl zu etwas Besserem machen, als es davor gewesen ist.
  • Hoher Aufwand: Wenn wir bereits viel investiert haben, um etwas zu erreichen, dann geraten wir in einen inneren Konflikt, ob wir aufhören oder weitermachen —wir müssen ja den Aufwand, den wir bisher gemacht haben rechtfertigen. Um den vorherigen Aufwand zu rechzufertigen passen wir dann oft den Wert des Ziels nach oben an.

Dazu bemerken lässt sich, dass all diese Einstellungsänderungen meist unbewusst passieren. Durch das Kennen dieser Theorie, kannst du jedoch deine Sensibilität dafür erhöhen und in deinem Leben beobachten.

Wie lässt sich Dissonanz reduzieren?

Festinger hat in seiner Theorie drei Wege aufgezeigt, wie wir kognitive Dissonanz abbauen können:

  • Wir verändern eine oder mehrere Einstellungen oder Aspekte unseres Verhaltens.
  • Wir vermindern die Bedeutung unser Einstellungen oder unseres Verhaltens.
  • Wir fügen neue Einstellungen hinzu.

Nicht immer können wir unser Verhalten verändern, um Dissonanz abzubauen. In den anderen Fällen ist ersichtlich, dass wir dann etwas in unseren Einstellungen ändern müssen, um Dissonanz zu reduzieren. So etwas kann sogar langfristige Folgen haben.

In positiven Fällen konnte in Studien gezeigt werden, dass Vorurteile gemindert werden können oder Suchtabhängigkeiten abgebaut werden kann.

Allerdings können durch Einstellungsveränderungen auch Nachteile entstehen. Besonders relevant ist dies, wenn die Dissonanz dadurch entsteht, dass jemand unser Selbstkonzept infrage stellt oder wir uns selbst belügen, um unser Verhalten zu rechtfertigen.

Sich Selbstaufmerksamkeit zu widmen, hilft dabei sich selbst bewusst zu werden und Widersprüche zwischen unserer Einstellung und unserem Verhalten zu entdecken. Mit Bewusstheit können wir dann unser Bestes geben, um im Einklang mit unserer subjektiven Wahrheit zu leben. Auch wenn dies kurzfristig sogar zu mehr unangenehmen Gefühlen führen kann, so ist dies langfristig der einzige Weg, um wahrhaftig und authentisch zu leben.

Beobachte dich in der nächsten Zeit und erlebe, wie du mit Widersprüchen in deinem Erleben umgehst.


  1. Festinger, L. (1957): A theory of cognitive dissonance. Stanford. ↩︎

  2. Aronson, E., Wilson, T. D., Akert, R. M., & Sommers, S. (2016). Social psychogy (9th ed.). Boston: Pearson. ↩︎

Samen säen

Ich säe einen Samen – nur einen.
Mehr sind besser wollte ich einst meinen,
doch voller Erwartung ungestüm ging ich dabei verloren.
Achtsamkeit und Geduld hab ich mir nun geschworen.

Dankbar spreche ich den großen Namen,
für die gewährte Möglichkeit.
Hege achtsam nur den einen Samen,
bin mit reiner Absicht nun bereit.

Geduldig nähr ich ihn mit aller Liebe,
blicke achtsam wachsam herum.
Berührt empfange ich die ersten Triebe,
besinge still das Mysterium.

Sehe Wachstum langsam um mich kreisen,
spiralenförmig schlingt sich das Leben empor.
Bestaune die Verwandlung, die mir verheißen,
Schritt für Schritt kommt sie hervor.

Dankbar blick ich auf mein Leben,
in neuem Glanz scheint jeder Tag.
Kann mich getrost dem Samen übergeben,
die Liebe nährt was kommen mag.

Dankbar bin ich, ohne Worte,
wer weiß wie lang ich bin.
Die Zukunft klopft bereits an meine Pforte,
hüllt alles ein mit einem Sinn.

Zauber der Nacht

Vom Mondlicht eingehüllt erwacht die Nacht,
die Göttin zärtlich mich bedacht.
Ahnungslos geführt durch dunkle Wälder,
betret ich nie geahnte, heilge Felder.

Mein Herz erlebt den Überfluss,
sinkt auf die Erde für den Kuss.
Demütig spür ich Leben’s Tiefe,
als ob es meine Seele ist, die riefe.

Ohne Worte flüstert sie das Leben,
bereit ich bin, mich hinzugeben.
Wer bin ich, wenn ich wirklich bin?
Des Lebens Antwort kennt den Sinn.

Nimm dir bewusst Zeit für dich

Die Art der Beziehung, die wir zu unseren Mitmenschen aufbauen, beeinflusst maßgeblich dessen Qualität und was wir in dieser Beziehung erleben können. Auch zu uns selbst können wir eine gute Beziehung aufbauen und diese lebenslang nähren. Eine gute Beziehung mit sich selbst ist ein wichtiger Schlüssel zu einem authentischen Leben.

Verbringe daher immer wieder bewusst Zeit mit dir, um dich selbst wirklich kennenzulernen und um eine gute Beziehung zu gestalten und zu leben. Um zu sehen, was das für einen großen Effekt auf dich und deine Selbstwahrnehmung haben wird, möchte ich dich dazu einladen dir für eine Weile jeden Tag 10 Minuten genau dafür Zeit zu schenken. Es ist dabei egal, ob du dir die Zeit lieber am Morgen, tagsüber oder am Abend nimmst. Es ist Zeit für dich mit dir.

Wichtig ist, dass du dir bewusst Zeit für dich nimmst – nur für dich. In dieser Zeit bist du ungestört. Du kannst bei dir ankommen, dich fühlen und spüren und deinen Gedanken lauschen.

Ich war ein Suchender und bin es immer noch, aber ich habe aufgehört, die Bücher zu fragen und die Sterne – und angefangen, auf die Lehren meiner Seele zu hören.

Rumi

Atme das Leben

Vermutlich wirst du dir erst einmal komisch dabei vorkommen. Es wird vermutlich auch ein wenig dauern, bis du wirklich zur Ruhe kommen wirst. Vielleicht ist dir diese Ruhe auch erst einmal unangenehm. All dies ist in Ordnung, akzeptiere es so wie es ist. All diese Gefühle und Gedanken sind gerade in dir zu finden, sie gehören gerade zu dir dazu. Du bist aber mehr, nimm dich wahr und gehe weiter.

Diese 10 Minuten mit dir werden dir leichter fallen, wenn du zunächst einfach deinen Atem beobachtest. Beobachte, wie du ein- und wieder ausatmest. Verfolge deinen Atem durch deinen Körper. Beobachte, wie er kommt und wieder geht. Beobachte, wie sich dabei dein Körper bewegt. Vielleicht kannst du auch beobachten, welche Gedanken dich immer wieder von deinem Atem wegtragen. Beobachte dich liebevoll und kehre immer wieder zum Atem zurück. Der Atem ist das, was dich am Leben hält.

Lausche deiner inneren Stimme

Sprich auch immer wieder zu deinem Wesen. Sag ihm, dass du jetzt mit ihm Zeit verbringst und dass du den Wunsch hast, dich selbst wirklich kennenzulernen. Gib dir den Raum, damit dein Selbst von sich erzählen kann. Schaffe einen inneren Raum der Stille, um die kraftvolle Stimme deiner Seele zu hören. Lausche dabei mit all deinen Sinnen – so intensiv wie es dir gerade möglich ist.

Wenn du dir diese Zeit nimmst, dann wirst du erstaunt sein, was 10 Minuten pro Tag in einer Woche bereits alles verändern können.

Probiere es einfach mal aus und lausche deinem Sein.

Die Kunst der inneren Stille

In Momenten tiefer Stille berühren wir den Kern unserer Existenz und lernen über Zeit und Raum hinauszugehen.

Innere stille ist in meinem Leben wesentlich. Ich vertraue dieser mystischen Leere, die doch so voller Fülle ist. In ihr weiß ich mein Wesen geborgen, in ihr kann ich meiner Seele lauschen und meine innerste Wahrheit berühren. Ich habe die Stille für ihre Qualität schon immer geschätzt, war sie doch stets ein sicherer Zufluchtsort für mich, den ich aufsuchen konnte, wenn die Welt um mich herum zu laut geworden war. In der Stille kann ich atmen und – wenn ich mich in der Hektik des Alltags verlaufen hatte – den Weg zurück zu mir finden.

Die Stille hat viele Facetten. %: sie ist leise und laut, sanft und unberechenbar. Um sie zu ergründen, war ich in den urgewaltigen Bergen des Himalayas, meditierte in dunklen Höhlen und schwamm in reinsten Gebirgsseen. Ich meditierte im lebendigen, nie schlafenden Regenwald Brasiliens bei Tag und bei Nacht. Ich war alleine und ich war mit vielen verschiedenen Menschen unterwegs und habe meiner und deren Stille gelauscht. Irgendwann brach ein stilles Wissen über mich herein, auf das ich trotz all meiner Vorbereitungen nicht vorbereitet war. Es veränderte grundlegend die Art und Weise mein Leben zu leben. Seitdem weiß ich die Stille in mir und ich mich in ihr.

Innere Stille im Alltag zu kultivieren ist eine Kunst, die durch viel Hingabe gelernt werden möchte. Schließlich begeben wir uns mit ihr von einer Welt, die durch das Außen geprägt ist, in eine Welt, die durch das Innere geprägt ist. Solche Schwellen zu überschreiten erfordert viel Sensibilität und Sanftheit mit unserem Wesen und damit auch Fertigkeiten, um damit umzugehen, die wir oft erst lernen müssen. In der Stille wirst du dir selbst begegnen. Solch ein zärtlicher Moment der Begegnung ist zu kostbar, um ihn nicht entsprechend zu zelebrieren.

Es gibt viele Schwierigkeiten, die auf dem Weg in die Stille auftreten können. Neben einem liebevollen Umgang mit den auftretenden Hindernissen, halte ich eine persönliche Vorbereitung für wesentlich, bevor du in die Stille gehst. Durch eine sanfte Vorbereitung erschaffst du einen inneren Raum in dir, in dem sich die Stille wohlfühlen kann. Du bereitest dann deinen Körper und dein emotionales und kognitives Erleben auf die Stille vor und lädst dein ganzes Wesen ein wach und anwesend zu sein.

Indem du dir Zeit nimmst, um dich auf die Stille vorzubereiten, gibst du der Stille einen Wert, der über die reine Zeit mit der Stille hinausgeht. Mit jeder Vorbereitung pflegst du einen Raum in dir, in dem sich die Stille als Gast zu Hause fühlen kann. Dadurch entsteht etwas, das auch in Abwesenheit der Stille noch in dir vorhanden ist und weiter gepflegt werden kann. Ganz unabhängig davon welche Technik des \enquote{In-die-Stille-Gehens} du also bevorzugst, mit einer wertschätzenden Vorbereitung gibst du der Feinheit der inneren Stille einen Raum, in der sie sich beheimaten kann.

Ich will sitzen und will schweigen und will hören, was Gott in mir redet.

Meister Eckhart

Von der Natur lernen

Meditation führt uns in einen Zustand, in dem unserer Zellen voller Leben aktiviert vibrieren. Unser Geist ist hellwach und aufmerksam. Wir fühlen uns wahrhaftig verbunden mit allem Leben und erleben uns als Teil von etwas Größerem. In diesem Sein erblüht die Stille in ihrer vollen Schönheit. Alles ist ein Ausdruck schöpferischer Schönheit und Vielfalt. Wir betreten ein Mysterium, in dem das reine Sein das höchste Gut ist und unsere Existenz Teil eines großen Wirkens ist.

Meditationstechniken sind auf dem Weg dahin als Wegweiser zu verstehen nach denen man sich richten kann. Dennoch muss letztlich jeder seine eigenen Schritte gehen und macht damit auch eigene Erfahrungen. Wir sollten nicht außer Acht lassen, dass wir uns auf einem Weg befinden, dessen Ziel wir nicht genau kennen. Vielfach wird es uns von anderen beschrieben und die Resonanz unserer Sehnsucht dient uns auf diesem Weg als einziger Kompass.

Es lohnt sich immer mal wieder innezuhalten und sich zu fragen, wo man denn gerade ist, wo man hergekommen ist und wo man hin möchte.

Meine größte Lehrerin ist die Natur. Die Natur erinnert mit ihrem Wesen des Natürlichen an wesentliche Qualitäten des Lebens, die im Alltag allzu leicht verloren gehen. Du musst wissen, dass die meisten Meditationstechniken zu einer Zeit entwickelt wurden, in der wir Menschen noch mehr mit der Natur gelebt haben. Spirituelle Suchende haben meist mehrere Jahre bei ihren Meistern, umgeben von wilder Natur in schlichter Einfachheit, gelebt. Die geordneten, schnelllebigen Strukturen unserer modernen Zivilisationen erschweren uns heute ein Betreten der einfachen und sehr ursprünglichen Seelenräume, die sich in uns befinden. In der Wildnis der Natur können wir hingegen viel leichter damit in Kontakt treten. Die Reinheit, Schönheit und Ursprünglichkeit der wilden Natur bewirkt ganz von selbst ein Staunen, das uns fast magisch mit unserer inneren Stille in Berührung bringen kann. Ohne Worte können wir demütig erleben, dass auch wir Natur sind und uns wehmütig wieder daran erinnern lassen, was Leben ist.

Um das ein bisschen nachzuempfinden, schlage ich dir vor, einmal den Sonnengesang von Franz von Assisi oder ein schönes Naturgedicht einmal bei dir zu Hause und einmal nach einem Tag, den du in freier Natur verbracht hast zu lesen. Du wirst vom Unterschied der inneren Empfindungen überrascht sein. Wenn der Verstand ruhig und einfach wird, entwickelt die Sprache des Herzens ihre eigene Weisheit und lehrt uns, wonach sich unsere Seele dürstet.

Ein alltagstauglicher Zugang zu einer erfüllten Stille

Wir brauchen also vor allem Zeit, am besten noch in der Natur, um eine erfüllte innere Stille berühren zu können. Leider ist in unserem Alltag ein längeres, absichtsloses Verweilen in der Natur räumlich und zeitlich meist nicht so einfach möglich. Deshalb ist für uns moderne Menschen auch ein anderer Zugang in die Stille erforderlich. Wir können nicht einfach das Gleiche machen, wie Menschen mit ganz anderen Lebensumständen, und dann die gleiche Wirkung erwarten. Sicherlich werden wir im Alltag nicht die gleiche Tiefe erreichen, wie mit längeren Auszeiten, doch können wir mit einer guten Vorbereitung die Qualität der Stille bedeutend erhöhen.

Wie könnte das aussehen? Machen wir uns zuerst einmal bewusst, dass jede Methode des \enquote{In-die-Stille-Gehens} nur mit dem arbeiten kann, was sich gerade in unserer Aufmerksamkeit befindet. Wenn das erst mal nur die Alltagsgedanken sind, dann kann auch die beste Technik der Welt nicht viel mehr herausdestillieren als eben diese Alltagsgedanken in hoch konzentrierter Form. Dies kann dann eine überraschend laute Erfahrung für uns werden und gerade nicht dass, wonach wir eigentlich suchen. Wenn du einen entsprechenden Raum in dir schaffst, dann werden die Techniken dir helfen, ihn weiter zu verfeinern.

Spirituelle Traditionen säen sehr feine Samen, die genährt werden wollen und mit viel Geduld und Hingabe immer wieder neu bestärkt werden müssen. Es sind sehr reine Schwingungen, die Zeit brauchen, um sich in dir auszudehnen. Jeder Moment des Innehaltens trägt dazu bei. Es sind die vielen kleine Momente, in denen du ruhig wirst, bewusst atmest und dir deiner selbst bewusst wirst, bei denen diese Samen Sonne und Wasser erhalten, um zu wachsen. Es sind die vielen kleinen Momente, in denen du dich verbindest, die sich dann in deiner inneren Stille ausbreiten können.

Wir sollten uns also im Prinzip in jedem Atemzug auf die Stille vorbereiten, um das zu nähren, was wir wirklich leben möchten. Das hört sich natürlich sehr viel an. Es ist aber ganz einfach. Schließ doch mal kurz die Augen und atme ein bisschen – nur für dich. Und dann? Tue es einfach nochmal… Es ist die Zeit die uns zeigt, welche Strecken wir Schritt für Schritt zurückgelegt haben.

Jeder Moment der Kontemplation sehr kostbar. Wir können uns nicht oft genug uns selbst bewusst werden und uns an unsere Existenz erinnern: du hast einen Körper, du kannst denken, du kannst fühlen und du kannst handeln. Wenn du dir selbst bewusst bist, kannst du dein eigenes Leben wirklich im Einklang mit dir gestalten. Jeder einzelne Moment, den wir bewusst mit uns selbst verbringen, pflanzt einen Samen der Bewusstheit, der in unserem Leben keimen und wachsen kann. Nimm dir auch die Zeit, um deinen Körper mit all seinen Zellen zu aktivieren. Gib dir Zeit zum Spüren und vertiefe dein Fühlen. Was empfindest du? Wie empfindest du? Werde dir selbst bewusst.

Ich würde dir raten die zum Anfang regelmäßig Zeit dafür zu nehmen. Du wirst dir dann leichter tun eine gute Grundlage zu entwickeln. Zum Beispiel bietet sich der Morgen an, um dich für diesen Tag auszurichten oder der Abend, um den gelebten Tag in dir zu spüren. Verweile mit dir und lausche.

Die göttliche Liebe, unähnlich der menschlichen Liebe, ist tief und weit und schweigend, man muss selbst still und weit werden, um ihrer bewusst zu werden und ihr zu antworten.

Sri Aurobindo

Nun kommt etwas sehr Wichtiges, etwas an das uns die Natur erinnert. Reinige deinen Geist mit den höchsten und reinsten Qualitäten, die dir gerade zur Verfügung stehen. Verbinde dich mit der Freude, der Dankbarkeit, dem Mitgefühl, der Liebe, der Verbundenheit und der Schönheit. Erinnere dich daran, dass du alles in dir hast, was du gerade brauchst. Alles ist in dir. Fühle diese Qualitäten in deinem Herzen und atme. Gib dir Zeit. Habe Vertrauen und erlaube diesen Qualitäten sich in dir auszudehnen. Mit jedem Mal webst du ein feines Band der Kontemplation, dass sich immer mehr durch deine Zellen flechtet und dich weiter durch dein Leben begleiten wird.

Je wacher, gereinigter und ausgerichteter du in die Stille gehst, desto tiefer wirst du in dich und deine Wahrheit eintauchen können. Auf diese Weise kannst du den Alltag jederzeit auf eine sanfte Art verlassen, einen erfüllten Raum tiefer Stille betreten, und mit dir und deinem Wesen verbunden wieder in den Alltag zurückkehren. Die Frequenz der Stille wird sich so immer mehr in dir ausdehnen und zu deiner inneren Quelle für einen wahrhaftigen, schöpferischen Ausdruck des Lebens werden.

Nimm dir noch ein bisschen Zeit für dich, schließ deine Augen und schenke dir ein einfaches, inneres Lächeln.

Lausche deinem Wesen und lasse dich berühren.

Was steht hinter meinem Handeln?

Wenn du herausfinden willst, was dich wirklich antreibt, dann ist vor allem die Intention hinter deinen Wünschen und Handlungen wichtig. Unsere grundlegende(n) Intention(en) haben wir oft schon seit unserer Kindheit angelegt. Wir können uns nicht von einem auf den anderen Tag grundlegend verändern - langfristig aber schon. Daher ist es für dich lohnenswert, wenn du dich auf die Suche nach dem begibst, was dich wirklich in deinem Leben antreibt.

Beispiel für solche Antriebe sind z.B.:

  • ich möchte keine Schwächen zeigen
  • ich möchte keine Fehler machen
  • ich brauche Kontrolle und Sicherheit
  • ich ertrage keine Nähe
  • ich möchte kompetent sein
  • ich möchte anerkannt sein
  • ich möchte besonders sein
  • ich möchte anders sein als meine Eltern
  • ich muss besser oder erfolgreicher sein, als andere
  • ich möchte in Ruhe gelassen werden
  • ich halte negative Stimmungen nicht aus
  • ich möchte helfen

Solche Antriebe lassen uns Dinge tun, die unserem wirklichen Ich entgegenstehen. Wir versuchen dann Situationen zu vermeiden, die wir nicht mögen oder gehen bestimmten Personen gezielt aus dem Weg. Wir suchen uns einen entsprechenden Job und pflegen einen Freundeskreis der uns dabei unterstützt. Das kann ein schönes Leben sein, es kann aber sehr anstrengend werden, da du hier immer diesen Rahmen zwanghaft aufrecht erhalten musst.

Anders sieht es aus, wenn du deine grundlegenden Antriebe erst einmal erkannt hast. Du hast dann die Freiheit dich so zu zeigen wie du wirklich bist und kannst flexibel auf das Leben reagieren. Der Haken an der Sache ist, dass wir unsere Antriebe nicht von einem auf den anderen Tag verändern können. Wir haben durch unserer Erfahrungen, vor allem aber durch unsere Ängste Strukturen geschaffen, die uns fest in der Hand haben.

Wir funktioniert unsere Lebenswahrnehmung?

Ich erkläre dir dieses Prinzip einmal anschaulich. Stell dir vor, um dich herum stehen viele kleine Wassergläser. Jedes Wasserglas symbolisiert einen inneren Antrieb von dir, es kann aber auch für deine Erfahrungen und Denkweisen. In jedem Glas ist nun so viel Wasser, wie du es in deinem Leben gefüllt hast. Zum Beispiel ein bisschen Leichtigkeit und Humor, aber auch etwas Ehrgeiz und eine Prise Distanziertheit. Dieser Status representiert deinen aktuellen Zustand. Egal was du in deinem Leben machen wirst, die gefüllten Gläser - aber auch die nicht gefüllten Gläser - werden dich bei deinen Entscheidungen und Handlungen beeinflussen.

Du hast jedoch jeden Tag die Möglichkeit mit einem kleinen Teelöffelchen ein bisschen Wasser umzufüllen. Wenn du beispielsweise erkennst, dass dich die Distanziertheit in deinem Leben eher behindert und damit deinem Selbst im Wege steht, dann könntest du damit beginnen dich jeden Tag ein bisschen zu öffnen und mehr Nähe zuzulassen. Du kannst jedoch nicht sofort jemand anders werden und erwarten auf einmal mit offenen Armen durch die Welt zu laufen. Wenn du das von dir erwartest, wirst du dir nur Leid zufügen. Vermutlich hast du dann auch ein Glas mit „hohem Anspruch“ oder ein Glas mit „Ich kann mich nicht annehmen“ gefüllt. Es wäre dann besser anzufangen, einen Teelöffel in das Glas „Ich nehme mich liebevoll in den Arm“ und „Ich freue mich, dass es mich gibt“ zu füllen.

Du siehst, wir kommen unseren gefüllten Gläsern und damit unseren Antrieben nicht aus. Mit Geduld und einem liebevollen Umgang mit dir selbst, kannst du jedoch allmählich die Gläser füllen, dir dir gut tun und dich selbst wirklich ausmachen.

Welche Gläser hast du in deinem Leben gefüllt?

Ich schlage dir vor, dir Zeit zu nehmen und dir einmal anzuschauen, welche Wassergläser du in deinem Leben gefüllt hast. Fühle anschließend in dich hinein, welche Gläser du gerne mehr befüllen möchtest und welche du lieber wenige befüllen möchtest. Schau dir auch an, warum eine andere Befüllung besser für dich an.

Am besten schreibst du dir deine Überlegungen auf. Überlege dir für jeden Teelöffel auch konkrete Schritte in deinem Leben. Es müssen kleine Schritte sein, die die sofort umsetzen kannst.

Fange nun an, mit jedem Tag die entsprechenden Gläser in deinem Leben zu füllen und achte darauf nichts mehr in die Gläser zu tun, welche du nicht weiter füllen möchtest. Jeden Tag nur ein kleines bißchen, mehr musst du nicht tun. Sei liebevoll zu dir.

Am besten überlegst du dir immer gleich nach dem Aufstehen, was du mit deinem Teelöffelchen machen willst.

Jeder einzelne ist so wertvoll.

Der Frühling lädt dich ein

Pflanze ein Samenkorn des Lebens in die fruchtbare Erde deines Herzens und pflege es mit deiner Liebe.

Es ist Frühling und wir dürfen gerade in der Natur bestaunen, wie das bunte Leben um uns herum explodiert. All das, was so lange geschlafen hat, erwacht wild wachsend zu neuem Leben. Wie durch ein Wunder sprießen mit jedem Tag neue Samen aus dem Boden, öffnen sich neue Blätter und bezaubern uns neue Blüten mit ihren Farben und Düften. Die Natur zelebriert das Wachstum, Entfalten und Blühen und bringt auch unsere Zellen lebendig zum Vibrieren.

Dankbar kann ich gerade erleben, wie viele Samen, die ich in den letzten Jahren geduldig gesät und gegossen habe, mit Kraft zu wachsen beginnen, viele Beziehungen vertiefen sich und viele fruchtbare neue Dinge entwickeln sich auf wundersame Art und Weise. Ich blicke gerade mit sehr tiefer Dankbarkeit und Freude auf mein Leben, das sich geradezu explosiv von der Starre des Winters befreit hat.

In diesem Erblühen schreibe ich nun diesen Text, der für dich in jeder Jahreszeit die Sprache Frühling spricht. Ich war dazu in den letzten Wochen fast täglich im nahen Wald, bin in die Stille gegangen und habe mich innerlich leer gemacht, um dem Frühling zu lauschen und ihn mit allen Sinnen in mir zu erleben.

Verweile auch du, lausche und atme – denn, der Frühling ist da.

Frühling

Grün, so singt der Frühling heiter,
alles wach verzaubert frei.
Wind beschwingt das Leben weiter,
Vögel rufen: sei dabei!

Neu malt Frühling weiche Farben,
lebhaft mischt sich kraftvoll grün.
Bäume beten hoch erhaben,
in Dankbarkeit die Veilchen blühn.

Auch das Wetter spielt mit allen Launen,
weit das Auge, s’Herzlein singt.
Frühling lässt uns wieder staunen,
wie ein neuer Tanz beginnt.

April 2020

Ja, es ist wieder Frühling. Welch ein Jauchzen, welch ein Freuen! Farbenfroh und lebendig lädt uns der Frühling ein, bei diesem bunten Geschehen dabei zu sein und du kannst eines der tiefsten Mysterien des Lebens berühren. Du kannst es wirklich. Gehe in die Natur und aktiviere deine Sinne. Erlaube dir mit allen Sinnen zu riechen, zu hören, zu schmecken, zu tasten und zu sehen. Lass die satten Farben auf dich wirken, rieche den Duft des Lebens, lausche dem Weckruf der Vögel, schmecke die frischen Kräuter und berühre sanft die zarten, feinen Triebe mit deinen Fingerspitzen. Sei ein Teil dieses freudigen Erwachens und Aufblühens und erlebe, wie es ist, damit in Resonanz zu gehen. Die Schwingungen des Frühlings erwecken auch uns zum Leben und lassen uns großzügig daran teilhaben.

In seiner Sprache lehrt uns der Frühling, was wir in unserem Alltag ganz konkret tun können, um auch so voller Leben aufzublühen. Lass dich ein auf diese Sprache ohne Worte und lausche. Verbinde dich mit dem Frühling und stell dir dein Leben symbolisch als einen feinen, wilden Garten vor. Du hast nun als Gärtner*in die wertvolle Aufgabe einen Ort des Lebens zu gestalten, in dem sich deine Seele wohlfühlen kann.

Betrete deinen Lebensgarten und schau dich darin um. Atme und spüre, wie du dich darin fühlst. Was nimmst du wahr? Hörst du Geräusche? Nimmst du vielleicht einen Geruch wahr? Betrachte die Erde des Gartens, erspüre sie mit deinen Händen und prüfe, ob sie fruchtbar ist oder ob sie etwas von dir benötigt. Schau dir die Pflanzen an, die gerade anmutig wachsen und die Blumen, die gerade blühen. Schau dir aber auch die Pflanzen an, welche mehr Pflege brauchen oder sogar schon vertrocknet sind, und schau dir das Unkraut an, das in deinem Garten wuchert. Schaue nicht weg und erlaube dir alles auf dich wirken zu lassen – es ist dein Garten.

Verbunden mit der schöpferischen Kraft des Frühlings hast du nun die Möglichkeit neue Samen zu säen, neue Blumen zu pflanzen und wucherndes Unkraut zu entfernen. Tauche ein in die Frage: „Was brauche ich, damit sich meine Seele in meinem Lebensgarten wohlfühlt?“ Nimm dir Zeit für dich und lausche in dich hinein. Du kannst dem Nichtwissen vertrauen. Lass zu, dass deine Antwort von selbst aus deinem Inneren entsteht. Sei wie immer liebevoll und geduldig mit dir selbst. Wenn du zu viele Samen säen oder Blumen pflanzen willst, wirst du mit dem Gießen nicht mehr hinterherkommen. Wenn du zu viel Unkraut jätest, wirst du mit deinem Unkraut-Blick immer nur noch mehr Unkraut entdecken und dabei deine Samen und Blumen vergessen.

Was der Frühling nicht säte, kann der Sommer nicht reifen, der Herbst nicht ernten, der Winter nicht genießen.

Johann Gottfried von Herder

Such dir am besten nur ein Samenkorn für dieses Jahr heraus. Einen Samen, der für dich und dein Leben gerade besonders wichtig ist. Habe Mut und Vertrauen dieses Samenkorn in deinem Lebensgarten zu pflanzen und es mit Fürsorge und Liebe nach und nach zum Wachsen und Gedeihen zu bringen. Lass dieses Samenkorn zu einem wichtigen Teil von deinem Leben werden und schenke ihm deine Aufmerksamkeit, so wie die Sonne uns jeden Tag begleitet. Nimm es mit in den Morgen, um den Tag zu begrüßen und in die Stille der Nacht, wenn du die Augen schließt und dem Tag Danke sagst. Nimm es mit in dein Gebet und lass es in der fruchtbaren Erde deines Herzens keimen.

Deine Seele wird es dir danken…